Kündigungsschutz und Betriebszugehörigkeit – was Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen sollten
Die Themen Kündigungsschutz und Betriebszugehörigkeit sind im Arbeitsrecht eng miteinander verknüpft. Ob Kündigungsschutz besteht, hängt maßgeblich davon ab, wie lange eine Person bereits im Betrieb oder Unternehmen tätig ist. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit entscheidet dabei nicht nur über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, sondern beeinflusst auch Kündigungsfristen und mögliche Abfindungszahlungen.
Für Arbeitnehmer stellt sich häufig die Frage, ab wann sie rechtlich vor einer ordentlichen Kündigung geschützt sind – insbesondere nach Ablauf der Probezeit. Arbeitgeber wiederum müssen die gesetzlich geregelten Fristen beachten und Voraussetzungen sorgfältig prüfen, um rechtssicher zu handeln.
Als auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei mit Sitz in Bonn unterstützt Advofidus Mandanten bei allen Fragen rund um Kündigungen, Kündigungsschutz und Betriebszugehörigkeit, mit langjähriger Erfahrung und umfassender Fachkompetenz.
Was bedeutet Betriebszugehörigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne?
Die Betriebszugehörigkeit beschreibt die Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber beschäftigt ist. Sie beginnt mit dem ersten Arbeitstag, also nicht mit dem Vertragsdatum oder einer mündlichen Zusage und endet in der Regel mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses.
Entscheidend ist: Alle Jahre der Beschäftigung zählen, unabhängig vom Alter. Zwar war früher gesetzlich geregelt, dass Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres bei der Berechnung von Kündigungsfristen unberücksichtigt bleiben sollten (§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB). Diese Regelung wurde jedoch seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs als altersdiskriminierend bewertet und ist mittlerweile weggefallen.
Für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit können unter anderem folgende Zeiten berücksichtigt werden:
- durchgängige Beschäftigung beim selben Arbeitgeber, auch bei internen Versetzungen
- Unterbrechungen wie Elternzeit, Mutterschutz oder Wehrdienst, sofern das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht
- Zeiten der Arbeitsunfähigkeit
In der arbeitsrechtlichen Praxis ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit keine bloße Formalie. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Anwendung gesetzlicher Regelungen, etwa bei Kündigungsfristen nach § 622 BGB, bei der Sozialauswahl im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen oder bei der Berechnung einer möglichen Abfindung. Auch tarifliche oder einzelvertragliche Regelungen knüpfen häufig an die Dauer der Betriebszugehörigkeit an, zum Beispiel bei Sonderzahlungen, Jubiläumsprämien oder Zusatzurlaub.
Ein rechtssicheres Verständnis der Betriebszugehörigkeit ist daher sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber unerlässlich – besonders im Fall einer drohenden Kündigung oder bei der Gestaltung langfristiger Arbeitsverhältnisse.
Kündigungsschutz:
Wann greift er und für wen?
Nicht jeder Arbeitsvertrag ist automatisch durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) abgesichert.
Der allgemeine Kündigungsschutz greift erst dann, wenn zwei zentrale Voraussetzungen erfüllt sind:
Das Arbeitsverhältnis besteht seit mehr als sechs Monaten ununterbrochen beim selben Arbeitgeber (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Der Betrieb beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer (§ 23 KSchG).
Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, etwa bei einer Kündigung in der Probezeit oder in einem Kleinbetrieb mit zehn oder weniger Arbeitnehmern, besteht kein gesetzlicher Kündigungsschutz.
In solchen Fällen kann eine Kündigung grundsätzlich auch ohne besonderen Grund erfolgen, solange sie nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder ein Diskriminierungsverbot verstößt.
Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz gibt es auch Formen des besonderen Kündigungsschutzes, etwa für:
- Schwangere und Mütter
- Beschäftigte in Elternzeit
- Schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer
- Betriebsratsmitglieder, Schwerbehindertenvertretung und Auszubildende nach der Probezeit
In diesen Fällen kann eine Kündigung nur in Ausnahmefällen unter Beachtung von engen Voraussetzungen und mit Zustimmung der zuständigen Behörde (z. B. Integrationsamt) erfolgen.
Für Arbeitnehmer ist es daher entscheidend, frühzeitig zu klären, ob und in welchem Umfang Kündigungsschutz besteht, etwa im Rahmen einer persönlichen Beratung.
Für Arbeitgeber ist es wiederum wichtig, bestehende Schutzfristen und Voraussetzungen genau zu kennen, um formale Fehler zu vermeiden und Risiken abschätzen zu können.
Betriebszugehörigkeit und Kündigungsfristen – was gilt?
Die Dauer der Betriebszugehörigkeit hat unmittelbaren Einfluss auf die Länge der Kündigungsfrist – zumindest, wenn der Arbeitgeber kündigt. Geregelt ist das im § 622 BGB. Dort ist festgelegt: Je länger das Arbeitsverhältnis besteht, desto länger ist auch die gesetzliche Kündigungsfrist, die der Arbeitgeber einhalten muss.
Für Arbeitnehmer gilt hingegen in der Regel eine konstante Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende, sofern keine abweichenden Regelungen im Tarifvertrag bestehen.
Gesetzliche Staffelung der Kündigungsfristen
Betriebszugehörigkeit | Kündigungsfrist für Arbeitgeber |
---|---|
unter 2 Jahren | 4 Wochen zum 15. oder Monatsende |
ab 2 Jahren | 1 Monat zum Monatsende |
ab 5 Jahren | 2 Monate zum Monatsende |
ab 8 Jahren | 3 Monate zum Monatsende |
ab 10 Jahren | 4 Monate zum Monatsende |
ab 12 Jahren | 5 Monate zum Monatsende |
ab 15 Jahren | 6 Monate zum Monatsende |
ab 20 Jahren | 7 Monate zum Monatsende |
Diese verlängerten Fristen gelten nur für Arbeitgeberkündigungen. Längere Fristen können im Arbeitsvertrag auch für Arbeitnehmer vereinbart werden.
In der anwaltlichen Beratungspraxis zeigt sich häufig, dass Fehler bei der Berechnung der Kündigungsfrist zu teuren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen führen können. Eine frühzeitige Klärung spart hier Zeit und Kosten.
Einfluss der Betriebszugehörigkeit bei betriebsbedingten Kündigungen
Wenn ein Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen möchte, etwa wegen Auftragsrückgang, Standortschließung oder Umstrukturierungen, ist er gesetzlich verpflichtet, eine Sozialauswahl durchzuführen (§ 1 Abs. 3 KSchG). Dabei darf nicht willkürlich gekündigt werden. Vielmehr müssen objektive Kriterien berücksichtigt werden, um zu entscheiden, welche Arbeitnehmer betroffen sind.
Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien der Sozialauswahl zählen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten (z. B. Kinder oder pflegebedürftige Angehörige)
- Schwerbehinderung
Die Betriebszugehörigkeit spielt hierbei eine zentrale Rolle: Wer bereits viele Jahre im Betrieb oder Unternehmen beschäftigt ist, genießt in der Regel einen höheren sozialen Schutz und darf daher nicht ohne Weiteres vor Kolleginnen oder Kollegen mit kürzerer Betriebszugehörigkeit gekündigt werden. Sie wirkt sich also unmittelbar auf die Auswahlrichtlinien bei Kündigungen aus.
Praxisbeispiel aus der Beratung
Ein mittelständisches Unternehmen aus Bonn musste aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten mehrere Stellen abbauen. Die Geschäftsführung plante zunächst, eine jüngere Mitarbeiterin mit zwei Jahren Betriebszugehörigkeit zu kündigen. In der Beratung stellte sich jedoch heraus, dass ein älterer Kollege mit vergleichbarer Qualifikation, aber nur einem Jahr Betriebszugehörigkeit, sozial weniger schutzwürdig war.
Für Arbeitgeber ist es daher essenziell, bei der Sozialauswahl juristisch korrekt vorzugehen. Für Arbeitnehmer lohnt es sich, die eigene Position im Unternehmen zu kennen und bei Bedarf professionellen rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.

Abfindung und Betriebszugehörigkeit – gibt es einen Zusammenhang?
Ein häufiger Irrtum: Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass ihnen bei einer Kündigung automatisch eine Abfindung zusteht. Tatsächlich gibt es keinen generellen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, außer in wenigen Ausnahmefällen, etwa bei betriebsbedingter Kündigung gem. § 1 a KSchG oder einem Sozialplan.
In der Praxis spielt die Betriebszugehörigkeit dennoch eine zentrale Rolle bei der Berechnung der Abfindung, sofern eine solche freiwillig angeboten oder gerichtlich ausgehandelt wird.
Eine gängige Formel zur Orientierung lautet:
0,5 Bruttomonatsgehälter
× Anzahl der Beschäftigungsjahre
Beispiel: Wer zehn Jahre im Unternehmen beschäftigt war, kann im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens eine Abfindung in Höhe von 5 Bruttomonatsgehältern erzielen – sofern beide Seiten hierauf einigen. Je nach Risikoverteilung im Kündigungsschutzverfahren kann von dieser Formel noch oben oder unten abgewichen werden.
Abfindungen kommen insbesondere dann ins Spiel, wenn:
- der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht und Risiken im Kündigungsprozess vermeiden möchte
- ein Vergleich vor dem Arbeitsgericht geschlossen wird
- die Auflösung des Arbeitsverhältnisses über einen Aufhebungsvertrag erfolgt
In der anwaltlichen Beratung geht es oft darum, ob eine Abfindung realistisch durchsetzbar ist und wie hoch diese im Einzelfall ausfallen könnte. Dabei sind nicht nur die Dauer der Betriebszugehörigkeit relevant, sondern auch die Erfolgsaussichten eines Kündigungsschutzverfahrens sowie Verhandlungsgeschick.
Ein rechtlich fundiertes Vorgehen kann hier den Unterschied machen.
Häufige Irrtümer rund um Kündigungsschutz und Betriebszugehörigkeit
In der arbeitsrechtlichen Praxis treten immer wieder Missverständnisse auf, wenn es um Kündigungsschutz und Betriebszugehörigkeit geht. Einige Irrtümer halten sich hartnäckig und führen nicht selten zu falschen Erwartungen oder folgenschweren Entscheidungen. Die folgenden Irrtümer begegnen mir in der Beratung besonders häufig:
„Je länger ich im Unternehmen bin, desto unkündbarer bin ich.“
Falsch. Auch langjährig Beschäftigte können gekündigt werden, etwa aus betriebsbedingten Gründen. Die Betriebszugehörigkeit beeinflusst zwar die Sozialauswahl und Kündigungsfrist, bietet aber keinen absoluten Kündigungsschutz. Auch hier gibt es Ausnahmen bei anwendbaren Tarifverträgen.
„Die Kündigungsfrist ist immer gleich lang.“
Nicht korrekt. Die Kündigungsfrist verlängert sich bei Arbeitgeberkündigungen mit zunehmender Dauer der Betriebszugehörigkeit (§ 622 BGB). Für Arbeitnehmer gilt hingegen meist eine Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats.
„Die Betriebszugehörigkeit beginnt mit der Unterzeichnung meines Arbeitsvertrages.“
Nein. Maßgeblich ist der tatsächliche Beginn der Tätigkeit, also der erste Arbeitstag. Auch etwaige Unterbrechungen oder Vorbeschäftigungen können bei der Berechnung zu berücksichtigen sein.
„Zeiten vor dem 25. Lebensjahr zählen bei der Kündigungsfrist nicht mit.“
Das war früher so. Diese Regelung war altersdiskriminierend und ist weggefallen. Alle Beschäftigungsjahre zählen unabhängig vom Alter.
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